Fahrten-Segeln in einem Revier, in dem man sich mit Niedrigwasser auskennt.

OTTO beim Prolog vor der ElPhi
(Foto: Gernot Kretschmar).

Im Sommer bekam ich das Angebot von meinem langjährigen Segelfreund Gernot, ihn am 10. und 11. September bei der Elbe Klassik zu begleiten. Wir haben schon einige gemeinsame Touren mit seinem OTTO unternommen, einem Gaffel-getakeltem 20er Jollenkreuzer, gebaut 1957 bei Otto Bollfras in Berlin. So sind wir schon zweimal an Pfingsten bei der Rhein-Regatta mitgefahren, und waren 2018 mit OTTO im ostfriesischen Wattenmeer unterwegs. Diesmal also die Elbe, für mich eine komplett neue Erfahrung. Gernot war schon mal als Gast auf dem 20er Jolli „Grace“ bei der Elbe-Klassik dabei. Sie findet immer im Herbst statt und startet dort, wo im Vorjahr die Geschwaderfahrt endete. Dieses Jahr war der Start bei Wischhafen geplant, und Zielhafen war Freiburg (an der Elbe!).

So fuhr ich nach der Arbeit donnerstags von Bochum aus 350 km in die Nacht (Fahrten-Segeln eben) und konnte schließlich wie verabredet in Stade bei OTTO unter die Kuchenbude schlüpfen und meine Koje in der Kajüte beziehen. Gernot hatte im Prolog am Donnerstag in Hamburg abgelegt, bei reichlich Regen die Fahrt nach Stade gemeistert und sich dort von Ortskundigen die Bestätigung geholt, dass wir am nächsten Morgen noch bis 8 Uhr bei ablaufendem Waser gut aus dem Hafen kommen sollten. Nach einer eher kurzen Nacht, der erfolgreichen Suche nach einem Bäcker und einem angemessenen Frühstück warfen wir um 7:59 Uhr die Leinen los.

Ausfahrt in die Schwinge in letzter Minute

Noch im Stadthafen fing der Außenborder bald an zu stottern, weil er statt Wasser Hafenschlick zur Kühlung saugte. Unweigerlich startete bei uns beiden gleich das Kopfkino, dass wir bis zur nächsten Flut nun in Hafenmitte im Schlick warten müssten, quasi auf dem Präsentierteller im Stader Stadthafen! Also griffen wir beherzt zu Paddel und Enterhaken und schafften es in letzter Minute, OTTO mit komplett aufgeholtem Schwert und Ruder noch aus dem Hafen zu schieben und die buchstäbliche Handbreit Wasser unterm Kiel zu erreichen. Wir waren definitiv das letzte Schiff, das hier an diesem Morgen die Schwinge erreichte, um Richtung Elbe auszulaufen.

In der Elbe angekommen, brauchten wir uns um die Wassertiefe nun zunächst keine Gedanken mehr machen. Auch bei ablaufendem Wasser war neben dem Fahrwasser noch genug Tiefe vorhanden, schließlich ist die Elbvertiefung inzwischen abgeschlossen und für Schiffe bis 13,5 m Tiefgang frei. Die Pötte dieser Größe waren auch von weit sichtbar, sodass man gebührenden Abstand halten konnte. Das Wetter spielte mit, und wir hatten leichten Südwind, der uns gemütlich Richtung Glücksstadt brachte. Kein rekordverdächtiges Etmal, aber darauf kam es uns auch nicht an. Wegen des schönen Wetters machten wir noch ein paar extra Schläge im Nebenfahrwasser hinter der Rhinplate, bevor wir uns in den Außenhafen von Glückstadt verholten. Unsere zweite Station im „city-hopping“ hat reichlich Bausubstanz aus dem 16 Jahrhundert zu bieten und war zur Zeit seiner Gründung als dänische Garnisonsstadt mit Hamburg in Konkurrenz. Zu dieser Zeit gab es im Ruhrgebiet im wesentlichen nur Kuhweiden. Hamburg und der Ruhrpott haben dann aber irgendwie mehr Wachstum hingelegt.

Am Samstag war wiedermal frühes Aufstehen angesagt, denn als Start der Elbe Klassik war 8:30 Uhr vereinbart, allerdings auf der anderen Elbseite vor dem Fahrwasser der Fähre Wischhafen Glückstadt. Wir brauchten bei schwachem Wind etwas länger und nahmen für die Querung des Haupt-Fahrwassers den 6 PS Jockel zur Hilfe. Auch wollten wir die Berufsschifffahrt nicht mit gewagten Manövern aufschrecken….

Bis zum vereinbarten Treffpunkt schafften wir es bei nachlassendem Wind am Ende nicht mehr. So hielten wir uns etwas stromabwärts und warteten dort, bis der Pulk der übrigen inzwischen 18 teilnehmenden Boote auf uns zu kam. Das war weiter kein Problem, denn bei der Elbe Klassik handelt es sich nicht um eine Regatta, sondern um eine Geschwader Fahrt, bei der man hinter dem Leitschiff bleiben soll. Diese Rolle hat dieses Jahr „Elfra“ übernommen, ein imposanter 48 m² Jollenkreuzer von 1947, der in Wischhafen seine Heimat hat. Erst gegen Ende der Veranstaltung gibt dieses Boot ein Zeichen, sodass ab dann frei gesegelt werden kann und die Boote sich entsprechend ihrer Geschwindigkeit reihen. So war zumindest der Plan. Da aber auch im Norden der Wind als Naturprodukt ein hohes Maß an Variabilität aufweist und sich an dem Tag als sehr schwach erwies, blieb es im Wesentlichen beim „fröhlichem Treiben“ mit der Strömung bis die Markierung der Einfahrt nach Freiburg in Sichtweite kam. Dort ging das Feld der Teilnehmer vor Anker, um auf auflaufendes Wasser zu warten. Erst dadurch wurde die Einfahrt in das Freiburger Hafenpriel für alle passierbar. Eine Pause vor Anker in einem solchen Feld wunderschöner Holzboote hat man auch nicht alle Tage, – das hat schon was!

Schließlich übernahm ein ortskundiger Skipper die Führung, und alle Boote folgten wie an einer Perlenkette der kurvigen Einfahrt entlang der Pricken, um dann gemächlich durch das schmale Priel Richtung Freiburg zu tuckern. Hinter dem mächtigen Sperrwerk folgte dann der Hafen von Freiburg, in dem schließlich für jedes Boot noch ein Platz gefunden wurde. Mit der zuständigen Behörde war vereinbart worden, dass das Sperrwerk für die kommende Ebbe geschlossen bleibt und dadurch der Hafen nicht wie üblich trockenfällt. Da auf allen Booten übernachtet wurde, war dies eine sehr willkommene Maßnahme, die unseren Kojen in der Waage hielt.

Bild 7a: Einfahrt in den Freiburger Hafenpriel

In Freiburg gab es am Nachmittag zunächst eine Führung durch die Werft von Rainer Hatecke, wobei schon Kaffee und Kuchen bereitstanden. Der Werftchef gab einen Überblick über die Geschichte der Werft, die er in fünften Generation leitet und erzählte interessante Details über die in seinen Hallen lagernden Boote. Danach begann ein schöner Abend in der perfekt vorbereiteten Werfthalle, in der alle Segler gemütlich Platz fanden und sich an Gegrilltem und an gekühlten Getränken erfreuen konnten. Nachdem Hunger und Durst gestillt waren, blieb bei weitgehend trockenem Wetter Zeit für vielfältige Gesprächsrunden in und vor der Werfthalle, bevor sich die Segler nach und nach in die Kajüten und Kojen begaben.

In der Morgendämmerung verließen bereits einige Schiffe den Hafen bei ablaufendem Wasser, da sie für den Tag eine längere Rückreise vor dem Bug hatten und durch das inzwischen wieder geöffnete Sperrwerk die Elbe erreichen konnten. Wir ließen es auf OTTO ruhiger angehen und genossen erstmal ein gemütliches Sonntagsfrühstück in unsere Kuchenbude, wobei wir spontan den Skipper von Elfra an Bord bitten konnten. Während des morgendlichen Niedrigwasser fiel OTTO nun auch vollständig trocken, was zu einer ungewohnten „Hanglange“ in Schiffslängsrichtung führte, die beim Frühstück aber nicht weiter störte. Das auflaufende Wasser am Mittag bestimmte für uns den Zeitpunkt, die Leinen in Freiburg loszuwerfen, damit wir mit der Strömung nun Richtung Stade auslaufen konnten. Von den Frühaufstehern trafen wir noch zwei Schiffe am Ausgang des Freiburger Priels. Sie hatten in der Dämmerung das hier deutlich gewundene Fahrwasser nicht genau getroffen und waren schließlich ungeplant trockengefallen. Auf der sandigen Barre bei dem ruhigen Wetter kein Problem für die Boote, aber für das Fortkommen eher hinderlich.

Für uns begann hier die Bergfahrt Richtung Stade, die nun von der Strömung unterstützt wurde. Eine Situation, die mir im Vergleich zum Rhein als sehr ungewöhnlich vorkam. Auch bei der Rheinwoche stellt die Strömung und die Rücksicht auf die Berufsschifffahrt eine besondere Herausforderung dar. Allerdings kehrt der Rhein dort nicht zweimal am Tag seine Fließrichtung um. An der unteren Elbe sind es gerade die Gezeitenströme, die es uns Seglern ermöglichen, auch bei schwachem Wind Strecken als Tal- und als Bergfahrt durchzuführen. Da der schwache Wind nun aber auch noch mit dem Strom ging, reichte es bei uns nicht mehr zum Segeln und wir verließen uns wieder auf den Außenborder, um im verbleibenden Zeitfenster noch Stade sicher zu erreichen. Außerdem stand für mich noch Sonntag die Heimreise per Auto an. Gernot slippte OTTO auch am Abend noch in Haseldorf aus.

Bleibt als Resümee, dass das Revier der unteren Elbe ein sehr interessantes, aber auch anspruchsvolles Segelrevier ist. Auch wenn ich an den drei Tagen nur einen ersten Eindruck bekommen konnte, war ich von der Vielfalt der Möglichkeiten überrascht. In kurzer Distanz bieten sich unterschiedliche Häfen an, die wie zum Beispiel in Stade oder Glücksstadt auch touristisch einiges zu bieten haben. Andererseits gibt es auch Möglichkeiten, ruhigere Plätze anzusteuern. Das Rahmenprogramm der Elbe Klassik rundete den Aufenthalt sehr schön ab und für uns revierfremde Gäste war die Unterstützung durch die Veranstalter und die revierkundigen Segler sehr hilfreich, dafür vielen Dank an Peter Ruland und das Team vom Freundeskreis Klassischer Yachten (www.FKY.org).

Mit einem Jollenkreuzer kann man das Segeln in Tidengewässer vergleichsweise entspannt meistern. Im Unterschied zu manchem Binnenrevier, dass dieses Jahr mit Niedrigwasser zu kämpfen hatte, kommt hier das Wasser zuverlässig zweimal am Tag zurück. Unsere Erfahrung beim Start in Stade zeigt aber, dass man die Zeitfenster genau einhalten muss und auch etwas Reserve einplanen sollte, um die berühmte „Handbreit“ unterm Kielholz sicher zu stellen. Die Segelei ist also in hohem Maße von den Gezeiten abhängig, – diese geben den Takt vor für alle Optionen, die das Revier bietet.

An den drei Tagen hatten wir nur schwache bis mäßige Winde. Für Revierneulinge ist ein zuverlässiger Motor unbedingt zu empfehlen, um sich in allen Situationen freihalten zu können. Wie sich die Elbe zwischen Hamburg und Brunsbüttel bei mehr Wind darstellt, kann ich aus eigener Erfahrung nicht berichten. Wie ich hörte ist als Folge der Elbvertiefung insbesondere die Flutströmung stärker geworden, was bei Situationen von Wind gegen Strom durchaus zu Bedingungen führen kann, die für 15er Jollenkreuzer unangenehm werden können. Von daher ist in diesem Revier besonders auf passendes Wetter zu achten. Ein spannendes Revier, das aber auch entspanntes Segeln in kleinen Etappen von Hafen zu Hafen ermöglicht.

Wolfgang Kruse, SCD
Fahrtenobmann P-Boote