Wieder eine anstrengende Arbeitswoche geschafft. Es geht nach Zeuthen, um schöne Stunden beim Regattasegeln zu haben. Es ist böiger Wind bis 6 Bft. angekündigt; aus West. Das heißt für den Zeuthener See: ruppige Böen, Winddreher, kaum Kreuz und schwierige Raumschotkurse mit wenig Spimöglichkeiten. Aber dafür kann der See ja nichts. Und Generationen von Seglern sind damit klar gekommen und wohl auch daran gewachsen. Also ist ein anspruchsvolles Regattawochenende zu erwarten.

Es sind zwölf 15er am Start. Überwiegend die pfiffigen Kerlchen aus der Region mit A-Booten und Schreiber-Schiffen, die sie echt gut beherrschen. Bei den 20er hat es leider nicht zu einem größeren Feld gereicht, dafür ist für die Langstreckenwertung eine ganz gute Teilnahme zu verzeichnen.

Nach netter Hilfe beim Slippen und freundlichen Begrüßungen geht’s los. Wetter und See halten, was sie versprochen haben. Es sind zwei große Runden über den gesamten See als Kurs am Startschiff angezeigt. Der abzusegelnde Kurs kann von jedem Boot auf der vom Veranstalter gestellten Liste pro Wettfahrt notiert werden. Und los geht’s! Es ist anspruchsvoll, die beiden Runden der ersten Wettfahrt vorne mitzuhalten. Eine Dreiergruppe liefert sich ein spannendes Finnisch um wenige Meter, vielleicht eine halbe Bootslänge.  Anschließend eine Mittagspause mit ausgelassener Stimmung. Man hat sich immer etwas zu erzählen und etwas auszuwerten. Dann weiter zu zwei Nachmittagswettfahrten.

Diese haben es richtig in sich. Der böige Wind sorgt für eine Kenterung beim Schiften (aufrichten und weiter) – es ist wirklich ganz schön anspruchsvoll. Durch die Nord-Süd-Ausrichtung des Sees ist es bei östlichen und westlichen Winden schwierig den optimalen Kurs zu finden. Sowohl auf den wenigen Kreuzschlägen mit langen Streckbugen und kurzen Holern, als auch die Entscheidungen, ob und wann man den Spi zieht und wie lange man ihn fährt, sind nicht einfach zu treffen.

Auch die beiden Nachmittagswettfahrten sind dann ohne Schäden geschafft und alle könnten doch recht zufrieden die Abschlußbiere und das Abend-Programm des Zeuthener Yachtclubs genießen.

Am Sonntag ist noch eine Schippe mehr Wind angekündigt. Auffrischend. Wieder aus West. Und bei den 15ern kann jeder der aktuell ersten vier Plätze insgesamt noch gewinnen. Wird also spannend. – Raus geht es, ran ans Startschiff und nach dem Kurs geschaut. Bei uns führt dieser gleiche Kurs wie Samstag zur Entscheidung, doch noch schnell die Fock zu wechseln. Wir glauben, mit der kleinsten Fock schnellere Wenden bei den Drehern hinzukriegen und wenn wir möglichst lange auf der Leeseite des Sees bleiben können, einen kleinen Vorteil zu haben. Gleich nach den 20ern, die um 10:30 starten gehen dann auch die 15er mit einem sauberen Start raus. Alle sind sehr aufmerksam und konzentriert. Es gibt keine gefährlichen oder kritischen Situationen, was bei diesem ruppigen Wind immer leicht passieren kann. Die Rechnung mit der kleinen Fock geht auf – lange in Lee bleiben und jeden kleinen Dreher mitnehmen. Der Wind bläst so, dass bei der ersten Runde die Spinnaker tatsächlich alle unten bleiben. Dadurch können auch die B-Boote gut mithalten und einige haben große Freude im Spitzenfeld. Bei der zweiten Runde kommt der Wind leicht raumer und es werden die Blasen gezogen. Wieder ein spannendes Finnisch – nur wenig Meter trennen die Boote der Spitzengruppe voneinander, die ja alle vier um Sieg und gute Platzierung kämpfen. Da bei dieser Windrichtung das Zielschiff am Vereinssteg liegen kann, ist der Zieleinlauf auch gleich der Anleger – man ist direkt im Hafen. Und die Informationen von dort erzeugen eine schockierende Ernüchterung: um 10:24 – und damit wahrscheinlich formal korrekt – wurde am Startschiff noch eine erste zusätzliche Kreuztonne in die Kursliste eingefügt. Und das hat tatsächlich genau ein 15er mitbekommen (war sich aber währende der gesamten Wettfahrt nicht ganz sicher). Es wurden also 11 Boote formal korrekt disqualifiziert.

Ich habe in meinen 46 Jahren Regattasegeln noch nie eine so gedrückte Stimmung beim Booteklarieren erlebt. Kaum jemand wollte ein Bier, es gab nur wenige, eher leise Gespräche. Selbst die eingefleischten Regattahasen aus dem eigenen Verein und dem Revier konnten ihren Ärger und ihre Frustration kaum verbergen. Dabei ist wesentlich, dass im Vorjahr ebenfalls eine komische Situation für komische Stimmung sorgte *. Und was diese erste Zusatztonne überhaupt bewirken sollte, hat sich auch niemandem erschlossen – sie hat viel eher dichter an das Ufer und damit in die Abdeckung gebracht – was sollten wir da? (Auf jeden Fall hätten wir dann die Fock nicht gewechselt.)

Bei der Preisvergabe gab es auf die Darstellung des Wettfahrtleiters zu der Regatta nur den einen Zwischenruf: „Ja, schöne Trainingsregatta!“. Naja, dem kann ich mich nicht anschließen, da für eine Trainingsregatta doch zu aufwendig.

Wir haben uns auf jeden Fall nett von den Mitgliedern des Vereins verabschiedet, die ja gute Gastgeber waren. Man sieht sich ja eher nicht wieder. Und dann bloß schnell weg. Morgen beginnt die nächste anstrengende Arbeitswoche.

* In der ersten Wettfahrt 2022 wurde ein Boot der Wettfahrtleitung losgeschickt, um über Bahnabkürzung zu informieren. Wir zogen in einer Bö gerade den Spi, als dieses Boot uns zügig passierte und uns zugerufen wurde „Bahnabkürzung! Direkt ins Ziel“. Ich habe am Heck eine „S“ registriert und noch etwas mehr Bunt. Da der Spi nun aber gleich wieder runter musste und eine Kenterung beim notwendigen Anluven zu verhindern war, blieb keine Zeit für eine  detaillierte Flaggenanalyse. Im Ziel (Segeln waren schon runter, einige beim Anlegen) gab es dann die Info „Bahnabkürzung nur für Jollen, die 15er müssen die letzte Tonne noch nehmen und dann ins Ziel fahren“. What??? Und tatsächlich gingen die Segel wieder hoch und die Wettfahrt wurde bei einer formal korrekten Bahnabkürzung entsprechend den Flaggensignalen formal korrekt beendet. Eine ersegelte Reihenfolge war auch hier eher nebensächlich.

Albrecht Schmelz