Ein launiger Erlebnisbericht vom Bodensee-Cup 2025
Von Richard Arning, Segelverein Schluchsee e.V.

Was machen drei 15er Jollenkreuzer im Schwarzwald?
Ganz einfach: Hochseesegeln. Also das, was man tut, wenn man sich auf Deutschlands höchstgelegenem Segelrevier, dem Schluchsee (930 m ü. NN), mit steiler Thermik und stets einem Beaufort mehr als in Süddeutschland üblich herumschlägt. Nur war in diesem Frühjahr der See… na ja, nennen wir es mal „reduziert befüllt“. Ergo: kein Wasser, kein Wind, keine Regatta. Aber dann klingelte das Telefon und am anderen Ende: Werner Kühnle, Flottenobmann vom Bodensee und – Überraschung – mein ehemaliger Kollege aus längst vergangenen beruflichen Tagen. Ob wir nicht Lust hätten, am Bodensee-Cup teilzunehmen? Na klar, warum nicht?

Ein Vater, ein Boot, ein Auftrag
Die nötige politische Rückendeckung war schnell organisiert. Ein Antrag bei der Innenministerin des Hauses unter der Bezeichnung „Verlängerter Vatertag“, wurde nach kurzer Prüfung genehmigt – mit dem ausdrücklichen Hinweis, bitte heil zurückzukehren und keine Segelkleidung in der Waschmaschine zu hinterlassen.

David fährt zu Goliath
Klar war auch: Gegen die versammelte Elite des nationalen 15er Regattabetriebs würden wir mit unserem P-Boot Freya nicht viel ausrichten. Unser Schiff ist ein echter Tourer – schneller F&D-Rumpf, aber dafür breite Kajüte, Dümmer-Schwert, keine Spi-Schleuder, keine Barberhauler, nicht mal ein Cunningham. Also quasi: Segeln im entschleunigten Stil. Nix für Strippenzieher. Dafür kann man darin schlafen. Und das ist – Spoiler! – kein theoretischer Vorteil.

Anreise mit Hagnauer Stauprogramm
Zwar sind es laut Karte nur anderthalb Stunden bis Fischbach, aber wie jeder weiß, ist das Hegau eine Zeit- und Radarfalle mit Aussicht. Zweieinhalb Stunden später und nach intensiver Hagnau-Meditation standen wir im Fischbacher Hafen – bei gefühlten 30 Grad im Schatten. Der Sommer war pünktlich zum Regattawochenende erschienen, die Boote glänzten, die Crews ebenso – und in der Luft lag ein Mix aus Berlinerisch, Schwäbisch und dem Geruch von stehendem Gewässer und Funktionsbekleidung. In der Marina war jede Menge Platz für uns, hatte doch der niedrige Pegel des Sees sämtliche großen Kielboote zu Fehlinvestionen degradiert.

Cunningham? Ach, den!
Vor dem ersten Start wollten Jens (Ex-Nationalkader Finn-Dinghy und unser Sportwart) und ich noch schnell einen Probeschlag wagen. Freya schien willig – nur das Großsegel warf ein paar unvorteilhafte Falten. Ein aufmerksamer Motorbootkapitän belehrte uns mit dem Hinweis, doch den Cunningham, auch als Botox für Großsegel bezeichnet, zu ziehen. Leider existierte der bei uns nur als philosophisches Konzept. Also war Basteln angesagt. Improvisation ist bekanntlich eine der edelsten Tugenden im Segelsport.

Die Nacht im Boot: Enge, aber edel
Während sich die meisten in Pensionen, Wohnmobile oder Matratzenlager zurückzogen, genoss ich die Nacht an Bord – zwischen Mahagonidach, Schlafsack und Sternenhimmel bzw. Toplicht. Zwar ist ein bisschen Origami nötig, um sich in die Koje zu falten, aber dann liegt man erstaunlich gemütlich. Jens bevorzugte den Komfort des Vans. Und so hatten wir beide keine nächtlichen Mitschnarcher.

Regattatag 1: Segeln mit Paddeloption

Der erste Regattatag begann mit einem 8:30 Uhr Briefing – ein Zeitpunkt, der aus Sicht passionierter Fahrtensegler klar in die Kategorie „unmenschlich früh“ fällt. Nach einem stillen Gedenken an die im Vorjahr verunglückte P-Boot-Crew aus Fischbach paddelte das Feld unter leichter Brise auf den See.

Beim ersten Start hielten wir uns bewusst im „taktischen Hintergrund“, ein Euphemismus auch bekannt als „zweite Reihe“, und versuchten mit einem Befreiungsschlag auf der linken Seite des Kurses unser Glück. Dort lockte das kräuselnde Wasser eines ausgedehnteren Windfelds, allerdings nur uns. Tatsächlich waren wir zeitweise gut dabei, bis das Bootsfeld auf der rechten Seite plötzlich einen Turbo zündete. Unser Spi setzte sich dann erst nach einer kleinen Verhedderungsrunde in Bewegung, da war die Verkürzung der Bahn aber schon eingeläutet. Platz 9 – von 10. Man muss ja auch Ziele haben.

Im zweiten Lauf dann der perfekte Start aus voller Fahrt am Pin-End. Guter Winkel, gute Fahrt, gute Laune. Doch das Glück hielt nur wenige Sekunden: Abbruch! Es lief doch so schön im Wind.

Massenfrühstart? Nein. Der ortskundige Wettfahrtleiter hatte die Luvtonne in den Rossbreiten des Bodensees ausgemacht. Und schon schlief der Wind ein. Danach war Warten angesagt. Und Kuchen. Und Eis.

Der Abend: Mahagoni und Mythen
Beim Abendessen – Spätzle mit Geschnetzeltem (zum Glück keine Linsen) – gab’s Freibier und Holzveredelungstipps. Ein Kollege mit nationalem Kreuzer dozierte über Mahagoni-Furniertechniken in epischer Breite. Unsere Reaktion: freundliches Nicken, innerliches Kichern. Schließlich ist Freyas Rumpf aus GfK. Aber hey – die Kajüte ist ja auch aus Holz.

Regattatag 2: Hoffnung, Hitze, Hinausziehen

Am zweiten Tag weckte mich sanftes Schaukeln – leider nicht vom Wind, sondern vom Motorboot. Die thermische Seewind aus Süd versuchte, sich aufzuraffen, entschied sich dann für ein ausgedehntes Nickerchen. Eis und Kuchen gingen in die zweite Runde.

Mittags nochmal kollektives Hoffen auf dem Wasser. Immer wenn ein Dickschiff auslief, dachten wir, es wäre das Startschiff. War’s aber nicht. Der Wettfahrtleiter bewies Weitsicht: Kein Start. Stattdessen: Genusssegeln im Chillmodus mit Alpensicht, ein Sprung ins 16 Grad frische Wasser und Unterwasserschiff putzen – der Tourer hat ja schließlich auch eine Badeleiter.

Fazit: Rangliste, Regeneration, Rückfahrt

Am Ende gewannen verdient die Berliner Gunnar Friedrich & Stephan Henkel, vor den Brandenburgern Christian Höfer & Mathias Keitzl. Die lokale Ehre rettete Werner Kühnle mit Tochter Tanja, die auch organisatorisch Großartiges leistete.

Unser persönliches Ergebnis? Nun ja – nennen wir es „im Lernbereich des hinteren Mittelfelds“. Aber wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel, und der Zielhafen war Fischbach und die Community der P-Boot Segler.

Vielen Dank an den WSV Fischbach und alle Beteiligten – für die tolle Organisation, die entspannte Atmosphäre und die Wiederbelebung dieser süddeutschen Ranglistenregatta. Wir kommen gerne wieder. Vielleicht bringen wir beim nächsten Mal noch ein paar Schluchsee-Segler mit – und etwas Bergwind.

P.S.: Wer sagt eigentlich, dass Tourensegler nicht auch Regatta können? Na gut… aber sie können schlafen, paddeln, baden – und einen Hauch von Freiheit versprühen. Und das ist doch auch schon mal was.

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